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Corporate Political Responsibility: Müssen Unternehmen ihre politische Verantwortung neu definieren?

Schon 2024 haben unser Co-Geschäftsführer Philip Husemann, Moritz Schlageter, Managing Partner bei torq.partners und die Unternehmerin Lea-Sophie Cramer ausgewählte Unternehmerinnen und Investoren zum Lunch geladen, um ein immer bedeutenderes Thema in den Fokus zu stellen: Corporate Political Responsibility. Müssen Unternehmen sich stärker politisch engagieren? Und wenn ja: Wie kann das gelingen? 2025 ist die Frage dringender denn je, denn Demokratien geraten weltweit immer stärker unter Druck. Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley unterstützen inzwischen offen den Populismus und die MAGA-Bewegung von Donald Trump.

Der Zustand liberaler Demokratien erodiert weltweit - auch vor etablierten Demokratien wie den USA und europäischen Staaten macht diese Entwicklung nicht halt.
Hierzulande ist das gesellschaftliche Klima angespannt: Laut einer aktuellen Studie von Initiative 18, rheingold salon und #UseTheNews stimmen 78 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass “wir das Land vor die Wand fahren”. Das Vertrauen in das politische System sinkt, während Unzufriedenheit und Enttäuschung wachsen. Besonders rechtspopulistische Kräfte nutzen diese Stimmung gezielt, um die Demokratie zu schwächen und Angst, Unsicherheit und Ressentiments zu schüren. Zuletzt weckten Berichte über mutmaßlich rechtsextreme Jugendliche Erinnerungen an rechte Gewalt während der 1990er Jahre - und Sorgen vor einer Schwächung der Demokratie.
Beispiele wie diese zeigen eine aktuelle Herausforderung für unsere Demokratie, reihen sich jedoch gleichzeitig in eine lange Liste ein: Kriege in Europa und dem Nahen Osten, gesellschaftliche Polarisierung, Globalisierung, Autokratien im Aufwind. 

Eindrücke vom CPR-Lunch 2024
v.l.n.r.: Philip Husemann (Co-Geschäftsführer JoinPolitics), Moritz Schlageter (Managing Partner torq.partners), Lea-Sophie Cramer (Unternehmerin, Investorin & Podcasterin), Dr. Johannes Bohnen (Founder & Managing Director BOHNEN Public Affairs)

Angesichts dieser Entwicklungen wird nicht nur die Frage nach der Verantwortung der Politik und Gesellschaft drängender, auch Unternehmen rücken als Akteure der Demokratiestärkung in den Fokus. Wie kann es Unternehmen gelingen, mehr politische Verantwortung zu übernehmen und sich für die Stärkung unserer Demokratie einzusetzen? Und aus welchen politischen Bereichen sollten Unternehmen sich aus guten Gründen raushalten? Einen Annäherungspunkt bietet das Konzept Corporate Political Responsibility

Worum geht es bei CPR?

Corporate Political Responsibility (kurz: CPR) nimmt anders als Corporate Social Responsibility und die ESG-Ziele das politische Engagement von Unternehmen verstärkt in den Fokus. Der Schutz der Demokratie, so die wesentliche Annahme von Dr. Johannes Bohnen, CPR-Vordenker in Deutschland, ist ein integraler Bestandteil der Unternehmensführung und die immanente Verantwortung von Unternehmen. Investitionen in eine starke Demokratie werden als Investitionen in den eigenen wirtschaftlichen Erfolg angesehen, denn auch Unternehmen profitieren von den stabilen politischen Rahmenbedingungen der Demokratie, von Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. In einer offenen Gesellschaft können auch Unternehmen florieren. 

Dabei geht es jedoch nicht um Lobbyarbeit oder parteipolitisches Engagement, sondern eine grundsätzliche Positionierung zu den Werten und Grundpflichten unserer demokratischen Grundordnung. In Zeiten multipler Krisen wächst auch die gesellschaftliche Erwartungshaltung, genau das zu tun. Besonders jüngere Generationen richten Ansprüche an Unternehmen und deren CEOs, sich politisch zu äußern und zu aktuellen Debatten Haltung zu beziehen. Von gelebter CPR können Unternehmen also erheblich profitieren, z.B. in Form von:

  • Positiver Reputation und Loyalität gegenüber der Marke
  • Vorteilen bei der Gewinnung von Mitarbeiter*innen und Fachkräften
  • Attraktivität für und Sicherung von Investitionen

Wie CPR aussehen kann, zeigte vor einigen Jahren der deutsche Uhrenhersteller Nomos Glashütte, Gründungsmitglied des Business Council for Democracy, mit einer klaren Positionierung zu rechtsextremen Protesten in Chemnitz. In einem offenen Brief verurteilte das Unternehmen die rassistische, intolerante und hasserfüllte Haltung hinter diesen und bot darüber hinaus Workshops für Mitarbeitende an, um sie im Umgang mit Extremismus zu schulen.

Es geht damit längst nicht mehr um die Frage, ob sich Unternehmen politisch engagieren, sondern was sie konkret leisten können. Welche Möglichkeiten des Engagements lassen sich aus dem Beispiel von Nomos Glashütte und den Erfahrungen von Unternehmerinnen und Investoren ziehen, die CPR bereits umsetzen?

  • CEO- und Employer Activism: Wie das Edelman Trust Barometer verdeutlicht, erwarten drei Viertel der Befragten, dass CEOs sich zu sozialen Themen äußern und aktiv an wichtigen Diskussionen teilnehmen - besonders, wenn das Gefühl besteht, dass Politik und Regierungen bestehende Herausforderungen nicht lösen
  • Politische Weiterbildungen: Denkbar sind auch Maßnahmen der politischen Bildung, wie sie neben Nomos Glashütte auch Vaude ergriffen hat. Demokratische Grundlagen und politisches Wissen können in Workshops vermittelt und so in ein Unternehmen getragen werden. Unterstützung in Form eines Netzwerkprogramms und Schulungen für Beschäftigte erhalten Unternehmen beispielsweise vom Business Council for Democracy.
  • Corporate Volunteering: Bei JoinPolitics arbeiten wir mit einigen Volunteers, die uns mit ihrem Fachwissen unterstützen. (Sie tun dies, weil ihre Arbeitgeber dies innerhalb ihrer Arbeitszeit ermöglichen.) Nicht nur für uns und unsere Talente ein absoluter Mehrwert. Doch gerade zeitliche Ressourcen halten häufig von Engagement ab. Unternehmen können hier vorangehen und z. B. ein monatliches Stundenkontingent einführen, dass Mitarbeiter*innen für Volunteering nutzen können. Wir nennen das: Das Demokratie-Konto. 
  • Finanzielle Unterstützung von Demokratie-Initiativen: In Deutschland haben sich inzwischen zahlreiche NGOs gegründet, die das Ziel verfolgen, die Demokratie zu stärken und von Spenden zu leben. Der Demokratiefonds, von ProjectTogether und der Allianz Foundation initiiert, hilft den Initiativen dabei, die dringend benötigte finanzielle Unterstützung zu erhalten. Unternehmen, Stiftungen und Philanthropen füllen den Fonds. 
Diskussion und Austausch unter anwesenden Unternehmerinnen und Investoren beim CPR-Lunch 2024
Der CPR-Lunch zeigte: das Bewusstsein unter Unternehmen, sich politisch zu engagieren, wächst

Auch wir als JoinPolitics nehmen Unternehmensspenden an, in begrenztem Maße und unter bestimmten Voraussetzungen. An welchen Guidelines wir uns diesbezüglich orientieren, ist auf unserer Website erläutert. Wichtig für uns: Jede Spende wird im Einzelfall überprüft. Wir haben in der Vergangenheit beispielsweise Spenden von Unternehmen abgelehnt, die aus unserer Sicht durch fragwürdige Lobby-Aktivitäten aufgetreten sind oder deren Geschäftsmodelle und Praktiken nicht mit unseren Werten vereinbar sind. So wie Unternehmen genau prüfen sollten, an wen sie spenden, so prüfen auch wir jedes Unternehmen, bevor wir eine Spende entgegennehmen, auch hinsichtlich der Unternehmenswerte und Aktivitäten und ob diese zu unserer Werte-Charta passen. Auch haben wir für unsere Organisation die klare Haltung, dass finanzielle Zuwendungen - auch die von Unternehmen - nie mit einer Gegenleistung wie Werbung verbunden sein können. Gerade Demokratie-Initiativen sollten sich nicht für bestimmte Zwecke instrumentalisieren lassen. Aber klar ist: Die Arbeit der politischen Zivilgesellschaft lebt von Geld und gesunder Finanzierung. Mehr denn je ist bei der Finanzierung von politischem Engagement maximale Transparenz ein absolutes Muss. Deshalb veröffentlichen wir jede Spende über 1.000 Euro und stellen sicher, dass kein Geldgeber, ob Privatperson oder Unternehmen, Einfluss auf unser Kerngeschäft der politischen Talentförderung nimmt. 

Stichwort Transparenz: Wie wird JoinPolitics im Rahmen der Corporate Political Responsibility unterstützt? 

Wir profitieren derzeit vor allem von Corporate Volunteering. So unterstützt uns beispielsweise das Unternehmen torq.partners mit kostenfreier Beratung in operativen Bereichen wie HR, Finance, Legal und Tech. Die Strategieberatung zero360 bietet im Rahmen unseres Talent-Programms kostenfreie Strategie-Workshops an. Und das Beratungsunternehmen Oliver Wyman hat uns im letzten sowie in diesem Jahr jeweils einen Senior Consultant als sogenannten Secondee für acht Wochen in unser Team geschickt. Beide haben in dieser Zeit wichtige strategische Projekte vorangetrieben. 

Eine weitere wichtige Säule der Unterstützung sind kostenfreie Tools, freie Lizenzen für Produkte, die wir uns sonst so nicht leisten könnten. Zwei Beispiele: Süddeutsche Zeitung Dossier bietet unseren Talenten die Dossiers zur freien Verfügung an im Rahmen ihrer Förderung. Das Unternehmen Zoom (in Partnerschaft mit 365 Sherpas) stellt dem Team von JoinPolitics sowie den geförderten Talenten freie Zoom-Lizenzen zur Verfügung.

Ein erstes Fazit zu Corporate Political Responsibility

Corporate Political Responsibility kann ein sehr hilfreiches Framework sein, sowohl für Unternehmen, die politisch Gutes tun wollen, als auch für Demokratie-Initiativen wie JoinPolitics, um genau zu definieren, wo Unterstützung von Unternehmen gewollt, gewünscht und gebraucht ist - und wo nicht. Wir stellen in unserer täglichen Arbeit fest: Der Wille, sich als Unternehmen zu engagieren, ist da! Lasst uns deshalb alle anpacken und gemeinsam daran arbeiten, dass unsere Demokratie eine gute Zukunft hat. Wie gut, dass immer mehr Unternehmen dazu beitragen möchten!